Karl Oßwald (1925-1972)
Selbstbildnis, 1969
Öl auf Hartfaserplatte, 59 x 49 cm
Kunstmuseum Singen
erworben 1990
© Nachlass Karl Oßwald
Das Gemälde zeigt den aus Hilzingen stammenden Maler und Grafiker Karl Oßwald. In der Portraitgattung des konventionellen Brustbildnisses präsentiert er sich im Alter von 44 Jahren. Neben einem frühen Selbstbildnis von 1947 bietet diese aus dem Nachlass für die Singener Sammlung erworbene Leinwandarbeit ein seltenes Beispiel für Portraitkunst im Gesamtwerk von Oßwald, in dessen Zentrum vor allem Landschaften, der Natur des Hegau und der Bodenseeregion sowie Stillleben und Figurenkompositionen stehen.
Unter Verzicht auf gängige Attribute des Künstlertums - ohne Pinsel, Palette oder Staffelei - tritt uns das Antlitz des Künstlers in extremer Nahsicht entgegen. Sein bildnerisches Tun ist allein durch das angeschnittene Fragment eines Gemäldes im Hintergrund quasi stellvertretend präsent. Nachdenklichkeit und Skepsis sprechen aus dem ernsten, auf den Betrachter fixierten Blick. Ein spannungsreiches Gegeneinander entsteht zwischen der lebhaften Farbgebung der Gesichtszone und der weißgrauen Umgebung. Im Zentrum der gestalterischen Intentionen steht der kraftvolle, subjektiv übersteigerte Selbstausdruck.
Leuchtende Farbkontraste, energische Pinselzüge und kantige Konturen kennzeichnen die als spätexpressionistisch einzuordnende Stilsprache Oßwalds. Gemessen an den radikalen Formgebungen des klassischen Expressionismus von „Brücke" oder „Blauer Reiter" pflegte Oßwald jedoch eine äußerst moderate, stark abgeschwächte Spielart der Stilrichtung.
In der regionalen Kunstgeschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts darf Karl Oßwald als ein bedeutender Vertreter des expressiven Realismus nach 1945 gelten, der sich vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren mit dem Anknüpfen an Tendenzen der klassischen Moderne dem herrschenden Zeitgeist der Abstraktion entzog und eine eigenständige, stets emotions- und wirklichkeitsorientierte Position behauptete.